Sonntag, 6. April 2014

Eine uralte chinesische Geschichte über einen Bauer

In einem Jahr war das Wetter sehr gut, und sein Getreide war prächtig gediehen. Alle Nachbarn meinten, wie Glücklich er doch sei, so wunderbares Getreide zu haben, und antwortete: „Vielleicht.“ Einen Tag, bevor er mit der Ernte beginnen wollte, kam eine Herde wilder Pferde und zertrampelte sein ganzes Getreide. Seine Nachbarn kamen herbei und meinten, was für ein Pech er doch habe, all das schöne Getreide zu verlieren. Der Bauer antwortete: „Vielleicht.“ Am nächsten Tag zog der Sohn des Bauerslos und fing einen wilden Hengst und drei Stuten, und die Nachbarn waren wieder zur Stelle, um die Pferde zu bewundern und dem Bauern zu sagen, was für ein glück er doch habe, worauf der Bauer nur sagte: „Vielleicht.“ Am Morgen des nächsten Tages fing der Sohn an, die Pferde zu zähmen. Kaum hatte er den Hengst bestiegen, warf ihn dieser auch schon wieder ab. Beim Sturz brach sich der Sohn das Bein. Die Nachbarn trugen ihn ins Haus und bemitleideten den Bauern. Sie meinten, wie unglücklich er sein müsse, da sein einziger Sohn so schlimm verletzt sei. Der Bauer entgegnete: „Vielleicht.“ Am nächsten Tag kam die Armee des Kaisers auf ihren Weg zu einer großen Schlacht ins Dorf, und alle gesunden jungen Männer wurden eingezogen. Der Sohn des Bauern jedoch brauchte nicht zur Armee, weil er ein gebrochenes Bein hatte. Alle Nachbarn erzählten den Bauern, was für ein Glück er habe, dass sein einziger Sohn vom Kriegsdienst verschont blieb, doch der Bauer sagte nur: „Vielleicht.“

(Paul McKenna, Ein neues Leben in sieben Tagen, Arkana, München, 2005)


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